Verfahren vor der Vergabekammer
Die Vergabekammer eröffnet nur aufgrund eines schriftlichen und begründeten Antrags ein Nachprüfungsverfahren ein.
Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an der Auftragserteilung hat, sich in seinen Rechten im Vergabeverfahren durch Nichtbeachtung der Vergabevorschriften verletzt fühlt und
substantiieren kann, dass ihm durch die behauptete Verletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Die Verletzung von Vergabevorschriften kann auch darin bestehen, dass die Ausschreibung
einer Vergabe rechtswidrig unterbleibt. Der Antrag ist unzulässig, wenn der Antragsteller den gerügten Verstoß schon im Vergabeverfahren erkannt und diesen gegenüber dem Auftraggeber nicht
unverzüglich gerügt hat. Schon in der Bekanntmachung erkennbare Fehler müssen unverzüglich, nach Ansicht einiger Vergabekammern jedoch spätestens bis zum Ablauf der Frist zurn Angebotsabgabe
entsprechend gerügt werden.
Wichtig: Die vergaberechtlichen Fristen sind zwingend einzuhalten! Zur Berechnung etwaiger Fristen empfiehlt es sich, rechtzeitig anwaltlichen Rat einzuholen. Es gibt hier einige Besonderheiten zu beachten!
Soweit der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, stellt die Vergabekammer diesen dem Auftraggeber
zu. Nach der Zustellung darf der Auftraggeber den Zuschlag bis zur Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der für die Einlegung der sofortigen Beschwerde an das Oberlandesgericht geltenden Frist
nicht erteilen. Entgegen dieser Regelung kann die Vergabekammer auf Antrag des Auftraggebers die Erteilung des Zuschlags dann gestatten, wenn die Vorteile an einem raschen Vertragsabschluss die
nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens überwiegen. Aber das Beschwerdegericht kann das Verbot des Zuschlags wiederherstellen.
Für den Fall, dass die Vergabekammer den Zuschlag nicht gestattet, kann das Beschwerdegericht auf Antrag des
Auftraggebers unter den genannten Voraussetzungen den sofortigen Zuschlag gestatten. Unternehmen, deren Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden, können sowohl auf Antrag als
auch von Amts wegen zum Verfahren beigeladen werden. Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht grundsätzlich nach einer mündlichen Verhandlung. Auf diese kann verzichtet werden, wenn der Antrag
offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist oder wenn die Beteiligten zustimmen. Die Vergabekammer hat ihre Entscheidung über den Antrag in einer bestimmten Frist zu treffen und zu begründen.
Diese Frist kann ausnahmsweise bei besonders schwierigen Fällen durch begründete Verfügung des Vorsitzenden verlängert werden. Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in
seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei nicht an die
Anträge gebunden, muß diese also unter Umständen auch auslegen und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens mittels Hinweisen oder Auflagen einwirken. Einen erteilten
Zuschlag kann sie jedoch nicht aufheben. Erledigt sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags oder auf andere Weise, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten und ohne an
eine Frist gebunden zu sein fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
Voraussetzung ist damit, dass vor Zuschlagserteilung ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet war. Bisher bestand damit die
Gefahr, dass der Rechtsschutz des GWB mehr oder weniger ins Leere läuft, da die Zuschlagsentscheidung als interne Entscheidung den Bietern erst mit der Zuschlagserteilung bzw. danach bekannt wurde. Um
das Ziel des GWB, den Bewerbern/Bietern effektiven Rechtsschutz einzuräumen, zu gewährleisten, ist bereits das Bundeskartellamt in seiner als "Münzplättchen II" (Az. VK 1 – 7/99) bekannt
gewordenen Entscheidung vom 29. April 1999 von einer Informationspflicht des Auftraggebers gegenüber den unterlegenen Bietern von Zuschlagserteilung ausgegangen.
Auch der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache C-81/98 (Alcatel
Austria AGu. a. ./. Österreichisches Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr) folgendes festgestellt: Die Nachprüfungsrichtlinie im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge ist
dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die den Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag
schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen. Unabhängig von der Möglichkeit, nach dem Vertragsschluss Schadensersatz zu erlangen, soll der Antragsteller die Aufhebung
der Entscheidung erwirken können,wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.
mitgeteilt von Rechtsanwalt Heiko Moritz, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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